Der graue Kasten am Ende der Fertigungslinie hat es in sich: Das Teil, so groß wie eine ausgewachsene Kühltruhe, ist eine Kamerabox. Die öffnet sich alle 30 Sekunden und entlässt dabei eine komplett montierte Fahrzeug-Standheizung, die zuvor von mehreren Seiten abgelichtet wurde.

Die Box ist eine Kontroll-Station. Blitzschnell werden die Bilder mit „Typenmustern“ im computergesteuerten Qualitäts-Überwachungssystem verglichen. Weicht ein Detail von der Norm ab, schert der tellergroße Wagenträger mit der betreffenden Standheizung seitlich aus der Transportbahn aus. Und „Kameramann“ Franko Saager schaut sich das Teil genau an: „Bei etwaigen Mängeln informiere ich sofort die Monteure in der Fertigung, damit sie die Fehlerquelle umgehend beheben können.“

Der 33-jährige Saager arbeitet seit sieben Jahren im Neubrandenburger Werk von Webasto, einem Unternehmen in Familienbesitz, das seinen Sitz in Stockdorf bei München hat. Die Webasto-Gruppe mit mehr als 50 Standorten beschäftigt über 12.000 Menschen und erzielte zuletzt einen Jahresumsatz von 3,2 Milliarden Euro.

Das Werk in Neubrandenburg ist der weltweit größte Hersteller von mobilen Standheizungen in der Webasto-Gruppe. Und als sogenannter Applikationsmonteur kennt sich Saager mit der Technik bestens aus. Er bestückt die kaffeemaschinengroßen Grundgeräte mit zusätzlichen Anbauteilen, etwa Wasserschläuchen und Schalldämpfern. Rund 800 Varianten umfasst die Produktpalette in Neubrandenburg..

Webasto-Heizungen kommen vor allem in Pkws, Lastwagen, Wohnmobilen, Spezialfahrzeugen und auf Motorjachten zum Einsatz. „Ein Plus an Luxus und auch an Sicherheit an kalten Tagen“, sagt Fertigungsleiter Reinhard Wienecke. „Lästiges Scheibenkratzen entfällt, der Fahrer hat sofort gute Sicht.“

Die konventionellen Standheizungen funktionieren wie ein Minitriebwerk. Ein Gebläse presst Luft durch eine Kraftstoff-Membran in den Brenner, wo das Luft-Kraftstoff-Gemisch entzündet wird. Die entstehende Hitze heizt den Kühlwasserkreislauf. Mit dem Effekt, dass auch der Motor vorgewärmt wird. „Ein Kaltstart bei Frost erhöht den Verschleiß am Motor“, erläutert Wienecke, der vor 21 Jahren bei Webasto als Monteur angefangen hat. „Außerdem werden bei einem warmen Motor weniger Kraftstoff verbraucht und weniger Schadstoffe ausgestoßen.“

Orangefarbene Robotor helfen den Mitarbeitern in der Montage

Über jeder der acht Fertigungslinien, die im Drei-Schicht-Betrieb laufen, prangt eine Leuchttafel. Sie zeigt fortwährend die Soll-Ist-Schichtleistung an. Der Takt in der automatisierten Produktion wird wesentlich von orangefarbenen Fertigungsrobotern bestimmt. An der Linie zwei legt Monteurin Ramona Gartmann derweil vorgefertigte Gebläseteile für die Roboter auf. Und wenige Meter weiter bestückt Monteur Hannes Lehmann Wagenträger mit Teilen für Brenner, Wärmetauscher und die Abdeckung.

Kurz darauf findet eine erste Qualitätsprüfung statt. Die gesamte Fertigung werde mit Sensoren und Kameras kontinuierlich überprüft, erzählt Lieferantenbetreuer Steffen Gorgs: „Es geht keine Schraube durch, die nicht den Vorgaben entsprechend montiert wurde.“ Für den 32-Jährigen sind die hohen Qualitätsstandards in der Heizgeräte-Montage auch maßgeblich in der Zusammenarbeit mit den Teilelieferanten.

Dies wird künftig umso wichtiger, je mehr sich Webasto dem neuen Markt der Elektromobilität zuwendet. Denn anders als bei konventionellen Standheizungen, die mit Benzin und Diesel betrieben werden, existieren bei elektrobasierter Technik deutlich mehr Konkurrenten auf dem Weltmarkt. „Wir haben die Elektromobilität zu einem strategischen Thema gemacht“, betont Werkleiter Andreas Dikow.

Seit fünf Jahren werden in Neubrandenburg bereits Hochvoltheizer für Elektrofahrzeuge produziert. Zudem bietet Webasto eigene Ladestationen für private und gewerbliche Kunden an und investiert in die Forschung, um etwa Batteriesysteme zu entwickeln. Eigens wurden dafür neue Geschäftsbereiche geschaffen.

Die Produktionsfläche wird dieses Jahr um 3.000 Quadratmeter vergrößert

In naher Zukunft wird sich Webasto weiterhin auf Standheizungen fokussieren – sowohl mit fossilen Kraftstoffen als auch elektrisch betrieben. Manager Dikow geht gar von einem „signifikanten Wachstum“ aus. Noch in diesem Jahr wird in Neubrandenburg die Produktionsfläche um 3.000 Quadratmeter erweitert. Einher geht damit die Idee, den Standort innerhalb der Firmengruppe „zum Leitwerk für neue Technologien in der Fertigung von mobilen Heizsystemen“ zu entwickeln.

Dabei hat die Produktionswelt von morgen im Norden schon begonnen. Monteurin Birgit Tomszak arbeitet direkt mit zwei Robotern zusammen. Sie versorgt diese mit Bauteilen, die verschweißt werden. Das erledigen die metallenen Kollegen stumm und zuverlässig. Gewöhnungsbedürftig sei das schon, bemerkt die Mitarbeiterin schmunzelnd, „aber dafür widersprechen die Roboter mir nicht“.

Sebastian Wegner: Früherer Boxer kämpft sich beruflich weiter

Wenn alles klappt, wird Sebastian Wegner in diesem Sommer seine dreieinhalbjährige Ausbildung zum Mechatroniker im Neubrandenburger Webasto-Werk vorzeitig beenden. Ein Zeitgewinn von sechs Monaten, der vor allem für einen 29-jährigen Azubi nicht unerheblich sein dürfte. Als Sebastian Wegner im August 2015 nach acht Jahren bei der Bundeswehr „ausgekleidet“ wurde, schloss sich unmittelbar die Lehre bei Webasto an.

Beim Militär hatte er bereits den Beruf eines Kfz-Mechatronikers gelernt und als Instandsetzungs-Unteroffizier gedient. „Mir war klar, ich würde mit meinem militärischen Fachwissen nur wenig anfangen können in einem Autohaus.“ So bewarb er sich bei Webasto in Neubrandenburg, wo er die letzten zwei Jahre beim Bund stationiert war.

Initiative zeigte der frühere Amateurboxer auch 2017, als er sich sich mit drei Mitstreitern bei dem Nordmetall-Wettbewerb „Azubi Energy“ anmeldete. Das Team verwirklichte das Projekt „Webasto weltweit“, eine schrankgroße interaktive Weltkarte, die heute im Foyer des Neubrandenburger Werks hängt und alle Standorte des Konzerns darstellt.

Mein Job

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Nach acht Jahren Kfz-Mechatroniker beim Militär entschied ich mich, den Beruf Mechatroniker im Zivilen draufzusatteln.

Was gefällt Ihnen besonders?

Als Mechatroniker bin ich vielseitig gefordert. Metallbearbeitung muss ich ebenso können wie Steuerungstechnik und Elektronik.

Worauf kommt es an?

Um komplexe technische Probleme zu lösen, sind in dem Beruf ein gewisses Feingefühl und Durchhaltevermögen gefragt.