Die Anfrage kam direkt aus dem afrikanischen Busch, und sie war so formuliert, dass an der Dringlichkeit kein Zweifel bestand. Albert Schweitzer brauchte damals Strom für sein Urwaldhospital in Lambaréné, dessen OP-Saal bis dato mit Petroleumlampen bestückt war. Der Friedensnobelpreis-Träger musste nicht lange warten, schon wenig später kam Hilfe aus Hamburg. Das Unternehmen Hans Still baute einen Generator, der mit einer Steuerung der Firma Alfred Kuhse aus Winsen ausgestattet und nach Gabun geschickt wurde.

Heute, 55 Jahre später, hat sich die Zahl der Länder, in denen Produkte von Kuhse Einsatz finden, auf über 70 erhöht, aber Krankenhäuser stehen immer noch auf der Kundenliste des niedersächsischen Unternehmens. Geschäftsführer Burghard Herrmann: „Unser Kerngeschäft sind Schaltanlagen und Steuerungstechnik für Energieerzeugungsanlagen. Wir sind dabei nicht nur in der Entwicklung und Produktion tätig, sondern auch in der Betreuung der fertigen Anlagen.“

Die Firma entstand 1928 als kleine Reparaturwerkstatt für Elektromotoren und entwickelte sich schnell zu einem mittelständischen Industrieunternehmen. 1938 begann der Gründer Alfred Kuhse mit der Fertigung von Schalttafeln, zehn Jahre später kam als weiterer Geschäftsbereich die Entwicklung und die Produktion von Elektromagneten dazu.

Rund 70.000 davon verlassen jährlich die Montagehalle. Der kleinste hat einen Durchmesser von 13 Millimetern und ist so leicht, dass man ihn in einem Standardbrief verschicken könnte – er wiegt gerade mal 20 Gramm. Der größte ist ein richtig schwerer Brummer: Er kommt auf ein Gesamtgewicht von annähernd 200 Kilogramm und wird unter anderem in Aufzügen eingesetzt.

„Als Bremsmagnet“, erklärt Oliver Uhl, der den Bereich Elektromagnete leitet. „Unsere Produkte sind in Tausenden von Aufzügen in aller Welt verbaut. Übrigens auch im Lift der New Yorker Freiheitsstatue, mit dem die Besucher bis zur Aussichtsplattform im Kopf der Figur fahren können.“ Die kleineren Magnete finden sich unter anderem in Waschmaschinen, wo sie für die Türverriegelung zuständig sind.

Ein schwimmendes Erdgas-Kraftwerk für saubere Luft im Hamburger Hafen

Insgesamt arbeiten in Uhls Abteilung 35 Leute, die anderen 65 Kuhse-Beschäftigten sind im Anlagenbereich tätig. Uhl: „Wir sind zwar nicht die größten am Markt, aber wir sind flexibel. Und schnell. Während die Großen noch kalkulieren, haben wir schon die Maschinen angeworfen.“ Das zeigt sich auch in der Produktpalette: 85 Prozent der Fertigung besteht aus kundenspezifischen Fabrikaten.

Um individuelle Lösungen ging es auch bei einem anderen Projekt, an dem die Anlagen-Experten von Kuhse maßgeblich beteiligt waren. Ziel des Vorhabens war es, eine umweltfreundliche Energieversorgung für die Kreuzfahrtschiffe im Hamburger Hafen zu entwickeln, der seit langer Zeit unter einer hohen Abgasbelastung leidet. In der Regel laufen die Motoren der Schiffe nämlich auch dann, wenn diese längst am Kai liegen – schließlich braucht man Strom fürs bordeigene Netz.

Ergebnis war ein schwimmendes Kraftwerk, gebaut vom Hamburger Unternehmen Becker Marine Systems, das mit verflüssigtem Erdgas (LNG) arbeitet und mit fünf Generatoren 7,5 Megawatt Strom erzeugt. Die 77 Meter lange „Power Barge“ wurde Mitte 2015 in Betrieb genommen und funktioniert technisch einwandfrei.

Aktive Beteiligung an einem Projekt zur Integration von Flüchtlingen

Kuhse engagiert sich aber nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Integration von Flüchtlingen. Das Unternehmen gehört zu den aktiven Förderern eines lokalen Projekts, mit dem insgesamt 20 Migranten auf eine Ausbildung vorbereitet werden. Die Initiative läuft unter dem Namen „Darius-Projekt“ und ist eine Kooperation von Winsener Betrieben, Berufsschulen, Kirche und Volkshochschule. Die Teilnehmer werden an drei Werktagen pro Woche unterrichtet, die übrigen zwei Tage sind sie als Praktikanten in einem Betrieb.

„Namensgeber“ des Projekts ist Darius Zozo (32), der von der Elfenbeinküste stammt. Nach einem mehrmonatigen Praktikum bei Kuhse bot ihm das Unternehmen eine Ausbildung zum Elektroniker an. Am 1. August soll es losgehen. Geschäftsführer Herrmann: „Die Abstimmung mit den Behörden war nicht immer ganz einfach, aber soziales Engagement ist uns wichtig. Wir freuen wir uns sehr, dass es geklappt hat.“

Begegnung mit …

Gut eingeschenkt: Der Systemelektroniker mit seiner Konstruktion. Foto: Augustin
Gut eingeschenkt: Der Systemelektroniker mit seiner Konstruktion. Foto: Augustin

Kevin Harrison: Spitzen-Nachwuchs

Ein gut gezapftes Bier braucht sieben Minuten, aber für Weizenbier gelten andere Regeln. Vor allem, wenn maschinell eingeschenkt wird. Möglich macht es eine Maschine, die Kevin Harrison (24) für einen Messestand baute. Sie kann nicht nur sauber eingießen, sondern die Flasche auch noch kühlen.

Der gebürtige Lüneburger hat sein Handwerk bei Kuhse gelernt, wo er zum Systemelektroniker ausgebildet wurde. Mit Erfolg: Er wurde mehrfach wegen guter Leistungen ausgezeichnet, unter anderem beim bundesweiten Leistungswettbewerb des ZVEH, dem Zentralverband der deutschen Elektro- und informationstechnischen Handwerke.

Derzeit macht er eine zweijährige Techniker-Ausbildung, aber danach will er wieder für Kuhse arbeiten. Im Service.

Mein Job

Wie kamen Sie zu Ihrem Job?

Bei einem Praktikum in einer anderen Firma wurde mir Kuhse als Lehrbetrieb empfohlen. Ich bewarb mich und wurde genommen.

Was gefällt Ihnen besonders?

Da gibt es einiges. Man hat viel Abwechslung, jede Menge Außenkontakt und täglich neue Herausforderungen. Das ist spannend.

Worauf kommt es an?

Man braucht auf jeden Fall ein gesundes Selbstbewusstsein, denn man hat ja regelmäßig mit Kunden zu tun. Ebenfalls wichtig: Spaß an Technik und Flexibilität.

Clemens von Frentz
Leiter aktiv-Redaktion Nord

Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht für das Magazin „aktiv im Norden“ in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.

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