Wenn Offshore-Servicetechniker von Land aus zu ihren Windparks wollen, müssen sie täglich neu entscheiden: Ist die See ruhig, der Wind nicht zu stürmisch? Nur wenn die Wetterprognose passt, können sie aufs Schiff, ansonsten wird die Fahrt kurzfristig abgeblasen, weil bei zu hohen Wellen ohnehin kein Überstieg vom Boot auf die Offshore-Plattform möglich wäre.

Das zweite Problem: Bei Parks, die weit draußen liegen, wird der Weg über das Wasser lang. „Wenn Sie bei zweieinhalb Meter hohen Wellen zwei Stunden unterwegs sind, geht es Ihnen nicht gut, selbst wenn Sie seefest sind“, sagt Christof Huß, Betriebsleiter des Vattenfall-Windparks Dantysk. „Und nach der Ankunft fängt der Job ja erst an – Sie müssen auf die Plattform oder die Turbine und ordentlich arbeiten.“

Nach dem Einsatz das Ganze noch mal: Wieder aufs Schiff und zwei Stunden zurückschaukeln. Kein Vergnügen. Huß: „Das machen Sie nicht lange!“

Vattenfall betreibt mehrere solcher Windparks. Zwei davon, Dantysk (in Betrieb) und Sandbank (2017 fertig) liegen weit draußen in der Nordsee, mehr als 70 Kilometer westlich von Sylt. Und über 90 Kilometer vom nächsten Servicehafen Esbjerg an der dänischen Küste entfernt. Deshalb hatte Vattenfall eine neue Idee: eine Hotelplattform im Windpark, fest im Meeresboden verankert.

Mehr Sicherheit, mehr Komfort, mehr Produktivität

„Da wackelt nix!“, schwärmt Huß. „Alles ruhig. Das führt dazu, dass die Leute, die wir da draußen haben, fitter sind.“ Zudem verbringen sie durch die kurze Anreise mehr Zeit vor Ort und sind so produktiver.

Zu tun gibt es genug. Jeder der beiden 288-Megawatt-Windparks kann bis zu 1,3 Milliarden Kilowattstunden Strom pro Jahr liefern, was dem Verbrauch von 400.000 Durchschnittshaushalten entspricht. Dafür müssen alle Turbinen perfekt gewartet sein.

Dantysk besteht aus 80 Siemens-Turbinen, verteilt über eine Fläche von rund 7.000 Fußballfeldern. Hinzu kommen die 72 Sandbank-Windräder, ebenfalls von Siemens, und jeweils eine Plattform, die den Strom sammelt und zu einem Umspannwerk schickt.

„Da wir im Winter besonders viel Strom ernten können, warten wir die Turbinen vor allem im Sommer“, erläutert Huß. Im Winter sind die Plattformen dran, bei denen unter anderem die Klimaanlage und der Notstrom geprüft werden. Pro Plattform kommen einige Tausend Arbeitsstunden im Jahr zusammen.

Auf der Hotel-Plattform gibt es 50 Einzelzimmer. Im Juni dieses Jahres zogen Schlepper die 2.500 Tonnen schwere Konstruktion auf einer Barge von der Emdener Werft EWD aus in die Nordsee, wo ein Kranschiff sie auf ihr 44 Meter hohes Stahlfundament setzte.

Da war die Plattform bereits voll eingerichtet. Knapp 100 Millionen Euro hat Vattenfall investiert, um seinem Personal auf 2.500 Quadratmeter Wohnfläche viel Komfort und Sicherheit zu bieten. Das Ergebnis: „Ein Standard über Jugendherbergsniveau, zu einem Preis deutlich über dem des Adlon“, wie Vattenfall-Vorstand Gunnar Groebler augenzwinkernd bilanziert.

Telefon,TV und schnelles Internet? Alles vorhanden!

Die Einzelkabinen sind wohnlich eingerichtet, durch Bullaugen fällt Tageslicht. Zwei Schränke bieten Platz für die persönlichen Dinge der Teammitglieder, die im Zwei-Wochen-Rhythmus abwechselnd die Kabinen belegen. Für den Kontakt zu den Liebsten auf dem Festland hat jede Kabine Telefon und schnelles Internet – eine Seltenheit auf hoher See. Fernseher und ein eigenes Bad ist ebenfalls Standard.

Einzigartig in der Branche – die Plattform schaukelt eben nicht – ist der Billardtisch im Gemeinschaftsbereich. Ebenfalls vorhanden: Dart-Boards und Spielkonsolen. Und wer nach einer Zwölf-Stunden-Schicht noch Energie übrig hat, kann sich im Fitnessraum mit Laufbändern, Rudergeräten, Stepper und Hantelbank auspowern.

Morgens stellen zwei Köchinnen ein Frühstück bereit, später zwei warme Mahlzeiten. Der Wäsche-Service holt Bettzeug, Handtücher und sogar die private Wäsche ab. Niemand muss selbst putzen, der Zimmerservice reinigt alle Kabinen.

„Alkohol ist bei uns tabu“, erklärt Christof Huß, „Sicherheit steht an erster Stelle.“ Falls dennoch ein Arbeitsunfall passiert, kann der Rettungssanitäter, der stets an Bord ist, im Erste-Hilfe-Bereich die Erstversorgung übernehmen. Via Telemedizin ist er mit Ärzten an Land verbunden, die ihn unterstützen.

Die Plattform kann sich zwei Wochen lang selbst versorgen

Diese Möglichkeiten machen Vattenfall als Offshore-Wind-Arbeitgeber attraktiv. Huß: „Wir bekommen Bewerbungen von Fachkräften aus der Branche, die die Plattform einem Schiff vorziehen würden.“

Eine Garantie, später auf der Plattform eingesetzt zu werden, kann er aber nicht geben. „Je nachdem, wie viel Arbeit anfällt, werden wir auch Service-Spezialschiffe im Einsatz haben, sogenannte SOVs“, schränkt er ein. „Wir brauchen die Flexibilität.“

Flexibilität ist das zentrale Stichwort, wenn Huß über die Einsatzplanung spricht. Die Einsätze der Teams, die täglich auf die Turbinen steigen, werden am Nachmittag des Vortags festgelegt. Zum Start ihrer Schicht steigen sie je nach Seegang die Treppen hinunter, wo sich die Boote für den Überstieg an das Fundament der Plattform pressen. Oder sie gehen über eine Brücke zur Umspannplattform des Dantysk-Windparks, die auf dem Dach eine Helikopter-Landestation hat.

Der einfache Zugang zur Helikopter-Plattform ist ein weiterer Trumpf des Offshore-Hotels gegenüber den SOVs. Diese punkten mit einer schwenkbaren Gangway, dem Ampelmann-System, über das die Mitarbeiter komfortabel auf die Turbinen spazieren können. „Im Winter gibt es Wellenhöhen, in denen diese Walk-to-Work-Systeme nicht mehr arbeiten. Dann liegen die SOVs im Hafen fest“, erläutert Huß. „Wenn Ihr SOV kein Helideck hat, müssen Sie mit dem Hubschrauber von Land aus fliegen und sind unflexibler als wir mit der Plattform.“

Und was ist, falls ein Unwetter die Plattform von der Außenwelt abschneidet? Huß: „Kein Problem, sie kann sich bis zu zwei Wochen komplett selbst versorgen.“ Dieselaggregate liefern Strom, Wasser wird aufbereitet, Müll getrennt, zerkleinert, gepresst und gekühlt, bis er abgeholt wird.